Aus der FTD vom 14.6.2001 www.ftd.de/serono
Durchbruch bei Rinderwahn-Diagnose
Von Ludger Weß, Hamburg

Wissenschaftler von Europas größter Biopharmaziefirma Serono haben eine Methode entwickelt, die die Erforschung und Diagnostik von Prionenerkrankungen verbessert. Ein Bluttest für BSE und Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ist nun möglich.
Damit rückt die Früherkennung von Hirnerkrankungen wie dem Rinderwahnsinn BSE und der daraus hervorgegangenen Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung des Menschen (nvCJD) in greifbare Nähe. Beide Krankheiten werden durch infektiöse Proteine (Prionen) hervorgerufen, die in einer normalen und einer krankhaft verän-derten Form vorkommen. Die abnorme Variante kann dabei normale Prionen durch simplen Kontakt ebenfalls in die falsche Form bringen. Dabei entstehen vor allem entlang der Nerven und im Hirn Ablagerungen, die zum Absterben der befallenen Zellen führen.

Das Verfahren der Serono-Forscher ermöglicht nun die rasche Vervielfältigung der infektiösen Prionen, so dass nach wenigen Stunden eine Menge vorliegt, die auch von den bisherigen Testverfahren zuverlässig nachgewiesen werden kann.

Nachteil

Die haben nämlich den Nachteil, dass sie die abnormen Prionen erst ab einer bestimmten Menge erkennen können. Im Blut können Prionenkrankheiten daher bislang gar nicht und im Hirn erst dann diagnostiziert werden, wenn sich bereits große Ablagerungen gebildet haben. Bei Tieren, die jünger sind als 30 Monate oder erst seit kurzer Zeit infiziert sind, kann ein Befall daher nicht zuverlässig erkannt werden.

"Die Prozedur ahmt den bei einer Infektion stattfindenden Vermeh-rungsprozess der abnormen Prionen nach - allerdings im Schnelldurchlauf", sagt Silvano Fumero, Forschungs- und Entwicklungschef von Serono. "Im Labor werden die jahrelangen Krankheitsprozesse dabei auf wenige Stunden komprimiert."

Trick

Der Trick, den die Forscher in der Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" detailliert beschreiben, ist ziemlich einfach: Verdächtige Blut- oder Gewebeproben werden mit normalen Prionen vermischt. Dabei lagern sich die abnormen Prionen an die gesunden an; letztere werden so ebenfalls in die krankmachende Fehlform verändert.

Nach einer Stunde werden die verklumpten Prionen mit Ultraschall in Fragmente zerteilt, die dann erneut bislang normal gebliebene Prionen in ihren Bann ziehen. Nach fünf Zyklen ist eine Menge an abnormen Prionen entstanden, die von allen herkömmlichen Tests erkannt wird.

Mit dem Verfahren eröffnen die Serono-Forscher der Wissenschaft erstmals die Möglichkeit, krankmachende Prionen im Labor und in beliebiger Menge herzustellen. So lässt sich jetzt beispielsweise erforschen, welche Faktoren das Umklappen der Prionen beeinflussen und welche Medikamente es stoppen oder gar rückgängig machen können. Damit ist der Weg zu einer Therapie dieser bislang unbehandelbaren Krankheiten eröffnet. Auch daran arbeitet Serono.

Wie die Wissenschaftler weiter bekannt gaben, sind die im Labor hergestellten abnormen Prionen tatsächlich infektiös. Damit ist eindrucksvoll belegt, dass die von Nobelpreisträger Stanley Prusiner formulierte Prionentheorie stimmt. Einige Forscher hatten bis in die jüngste Zeit bezweifelt, dass Eiweiße infektiös sein können und stattdessen über die Beteiligung von Viren spekuliert.

Serono will bis Mitte nächsten Jahres einen Test entwickeln, mit dem der Rinderwahnsinn, aber auch menschliche Prionenerkrankungen wie die klassische Creutzfeldt-Jakob-Krankheit CJD und die aus dem Rinderwahnsinn hervorgegangene neue CJD-Variante im Blut nachgewiesen werden können. Das Unternehmen ist ferner überzeugt, dass das Testprinzip sich auch zur Früherkennung der Alzheimer-Erkrankung eignet.

Bereits im Mai hatten die britische Oxford University und das US-Biotech-Unternehmen VI Technologies bekannt gegeben, dass sie bei der Entwicklung einer Technologie kooperieren, mit der Prionen diagnostiziert und aus Blut und Körperflüssigkeiten entfernt werden können.

© 2001 Financial Times Deutschland
 
Frau in Hongkong stirbt an Creutzfeld-Jakob

afp HONGKONG. In Hongkong ist eine Frau an der menschlichen Form des Rinderwahnsinns BSE gestorben. Die 35-Jährige erlag am Mittwoch in einem Hongkonger Krankenhaus der neuen Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit (vCJK), wie die Gesundheitsbehörden am Donnerstag mitteilten. Die junge Frau hatte zwischen 1985 und 1992 sowie weitere vier Jahre bis 2001 in Großbritannien gelebt. In dieser Zeit hatte die BSE-Epidemie auf der britischen Insel ihren Höhepunkt erreicht.

Seit der ersten Beschreibung von vCJK 1996 sind in Großbritannien 103 Menschen an der Hirnkrankheit gestorben. Vier weitere Todesfälle sind aus Frankreich bekannt, in Irland gab es bislang einen vCJK-Toten. Als Auslöser für die Krankheit gilt der Verzehr von Nahrungsmitteln, die Hirn oder Rückenmark von BSE-infizierten Rindern enthielten. Doch auch andere Übertragungswege wie über das Blut scheinen grundsätzlich möglich.

HANDELSBLATT, Donnerstag, 21. Februar 2002, 09:22 Uhr