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Natascha Kreuzer

Bioethanol - eine Alternative (?)

Beratertagung in Düren

Kann Bioethanol aus Zuckerrüben oder Weizen eine Zukunftsperspektive für die Landwirtschaft sein? Welche Chancen und Möglichkeiten dieser neue Betriebszweig beinhaltet, war eines der Themen der Beratertagung der Arbeitsgemeinschaft Zuckerrübenanbau in Düren Ende Januar. Welche Voraussetzungen aus politischer Sicht gegeben sein müssen, erläuterte Dietrich Klein, Jurist beim Deutschen Bauernverband und Geschäftsführer der Arbeitsgruppe landwirtschaftliche Biokraftstoffe. "Die Steuerbefreiung für Biokraftstoffe zum 1. Januar 2003 hat den politischen Weg bereitet, jetzt geht es um die Umsetzung in der Praxis", erklärte Klein. Die Marktanteile für Biokraftstoffe sollen in 2005 bei 2 % und in 2010 bei 5,75 % liegen, das sieht eine geplante EU-Richtlinie vor. Dabei gebe es verschiedene Nutzungsmöglichkeiten, eine Möglichkeit seien Reinkraftstoffe aus Ethanol oder auch Mischkraftstoffe, die einen bestimmten Teil Bioethanol enthalten. Außerdem könnten einzelne Komponenten des Benzins durch ähnliche Stoffe aus Bioethanol ersetzt werden. Bei einem geschätzten Benzinmarkt von etwa 57 Mio. t in Deutschland hält Dietrich Klein ein Volumen an Biokraftstoffen von etwa 3 Mio. t für möglich. "Dies wäre ein großer Einstieg in den Markt und kann ihn völlig verändern." Hauptanteil der nachwachsenden Energie sei Bioethanol, Biodiesel aus Raps werde nur eine begrenzte Einsatzmöglichkeit finden. Bei Benzin gebe es eine DIN-Norm, so Klein. Hiernach sei eine Ethanolbeimischung bis 5 % möglich, die geplante EU-Richtlinie ermögliche aber auch Anteile bis 15 %. "Bioethanol ist ein wettbewerbsfähiger Beitrag der Landwirtschaft, um das gesellschaftliche Problem des steigenden Verkehrs und der Umweltbelastungen sinnvoll zu lösen." Die Herstellungskosten des Ethanols sind etwa doppelt so hoch wie die des Benzins. Dietrich Klein bezifferte die Kosten mit etwa 50 Cent/l ohne Mineralölsteuer.

Herstellung doppelt so teuer wie Benzin


Benzin dagegen koste etwa 0,24 €/l zuzüglich 0,65 €/l Mineralölsteuer. Zurzeit seien Anlagen für schätzungsweise 1,6 Mio. t Ethanol in Planung. Davon entfielen 0,38 Mio. t auf Nord- und Südzucker und 1,22 Mio. t auf ein Konsortium, das Investoren am Kapitalmarkt suche und eine Anlage in Mecklenburg-Vorpommern plane. "Diese Zahlen sind sicher mit Vorsicht zu betrachten", gab Klein zu bedenken. Als entscheidende Voraussetzung für die Umsetzung des Bioethanols nannte der Referent eine wirksame Importregelung. "Mit Brasilien, das mit schwacher Währung und niedrigen Produktionskosten erzeugt, kann keiner konkurrieren." Zweiter entscheidender Faktor seien Abnahmeverträge für die Landwirtschaft. Hier sei die Großindustrie jedoch sehr zurückhaltend, so dass sich möglicherweise Perspektiven für kleinere Unternehmen ergäben. Als wirtschaftlichste Kulturen nannte Klein Zuckerrüben und Getreide. Da Frankreich, zurzeit der Hauptproduzent von Bioethanol in der EU, nur eine Steuerminderung realisiere, habe Deutschland mit einer Steuerbefreiung des Bioethanols einen Wettbewerbsvorteil. Zur Frage, ob Weizen oder Rüben die bessere Kultur für Bioethanol sei, erklärte Dietrich Klein, dass beide Kulturen einbezogen werden müssten, um die großen benötigten Mengen zu erzeugen. Die Alkoholerträge bei der Ethanolgewinnung aus Rübenzucker seien aber etwa doppelt so hoch wie beim Weizen. Ebenfalls berücksichtigt werden müssten die marktentlastenden Wirkungen auf den Getreidemarkt, wenn schätzungsweise 4 Mio. t Weizen in 2010 nicht mehr auf dem Getreidemarkt, sondern auf dem Bioethanolmarkt gebraucht würden.

 

Weizen und Rüben gefragt

Welche technologischen und wirtschaftlichen Aspekte bei der Bioethanolherstellung von Bedeutung sind, erläuterte Dr. Jürgen Kohnke, Geschäftsführer von Pfeifer & Langen. "Die Zuckerfabriken Jülich und Pfeifer & Langen haben mit den Genossenschaften, dem Rübenbauer- und dem Landwirtschaftsverband eine gemeinsame Arbeitsgruppe gegründet, um in Sachen Bioethanol eine einheitliche Strategie zu verfolgen", erklärte Dr. Kohnke. "Ein Kostenvergleich zeigt, dass die Herstellung von Bioethanol aus Kartoffeln zu teuer ist. Auch Roggen und Gerste scheiden auf Grund der geringeren Erträge im Vergleich zum Weizen aus." Um die für 2005 geplante 2-prozentige Ethanolbeimischung zu Benzin zu realisieren, seien in Deutschland erhebliche Flächen notwendig: "Schätzt man einen Weizenanteil von 70 % und einen Rübenanteil von 30 %, so ergeben sich 260000 ha Getreideflächen und 46 000 ha Zuckerrübenflächen." Wenn die Beimischung auf 5,75 % in 2010 ansteige, könnten 682.000 ha Weizen und 121.000 ha Zuckerrüben nötig sein, um die geplanten 2,4 Mio. m3 Ethanol herzustellen. Ähnlich sieht es beim Biodiesel aus Raps aus: Die 2-prozentige Beimischung in 2005 setze einen Anbau von 530 000 ha Raps voraus, die 5,75 % Beimischung in 2010 immerhin 1,4 Mio. ha. "Für Europa könnte dies bedeuten, dass immerhin 8 bis 9 Mio. der insgesamt 45 Mio. ha Ackerfläche für nachwachsende Energieträger benötigt werden", fasste Dr. Kohnke zusammen. Er betonte aber gleichzeitig, dass der Energiegewinn aus Bioethanol gering sei und die Herstellungskosten von etwa 50 Cent/l nur möglich seien auf Grund des Einsatzes großer Mengen günstiger fossiler Brennstoffe.

Auswirkungen auf den Futtermittelmarkt

Nicht zu verkennen seien auch die Auswirkungen auf den Futtermittelmarkt. Da Bioethanol aus Zuckerrüben nur aus dem Zucker hergestellt werde, fielen pro 100 kg Ethanol etwa 60 kg Schnitzelpellets an, beim Weizen seien es immerhin 90 kg Kleie und andere Produkte. "Dies ist sicher ein Nachteil für das Rheinland, denn so viele Kunden für Futtermittel und viehhaltende Betriebe, die diese Futtermittel verwerten könnten, gibt es im Rheinland nicht." Bioethanol kann sowohl als reiner Kraftstoff wie auch in verschiedenen Mischungen zwischen 5 und 85 % Beimischung verwertet werden. Keine Umrüstung benötigten Ottomotoren, wenn bis zu 10 % Ethanol beigemischt werde. Bei höheren Beimischungen ließe sich eine Anpassung der Motoren ermöglichen und ein spezielles Dichtungsmaterial einbauen, berichtete Kohnke. Die Firmen Ford und Saab hätten einen Motor entwickelt, der die Kraftstoffzusammensetzung erkenne und selber den Motor regele. Auch wenn die Energiedichte des Ethanols nur 66 % des Ottokraftstoffes betrage, sei die Oktanzahl höher. Ob dieses eine höhere Wirkung habe, sei zurzeit noch umstritten. Eine weitere Verwendung des Bioethanols könnten Kraftstoffzusatzstoffe sein. In herkömmlichen Kraftstoffen ist der Zusatzstoff MTBE enthalten, der zur Oktanverbesserung eingesetzt wird. Dieser kann problemlos durch den Stoff ETBE, der aus Ethanol hergestellt wird, ersetzt werden. Dies sei in Frankreich und Spanien bereits seit 15 Jahren üblich. "MTBE wird in abgeschriebenen Anlagen günstig produziert, so dass eine Umstellung schwierig sein kann und schwer abzuschätzen ist", erläuterte Dr. Kohnke.

Erlös wie C-Rüben?

Als möglichen Erlös ab Hof der Herstellungsfabrik nannte Dr. Kohnke einen Preis von 0,52 €/l. Dieser sei zu erzielen bei Rübenpreisen, die etwa im Bereich der C-Rüben liegen oder bei einem Weizenpreis von etwa 100€/t. Außerdem sei eine Abschreibung über zehn Jahre und die Produktion in Anlagen mit über 150.000 m3 pro Jahr erforderlich, um günstige Herstellungskosten zu erzielen. "Ethanol-Anlagen sind sehr kapitalintensiv, so muss man beispielsweise für eine 250.000 m3-Anlage etwa 140 Mio. € veranschlagen." Produktionskosten in anderen Ländern bezifferte Dr. Kohnke für die USA mit etwa 33 Cent, hierbei handele es sich um Ethanol aus günstigem Mais, oder Brasilien, das für etwa 20 Cent erzeuge, da dort der Zucker sehr günstig sei. In Frankreich erhielten die Landwirte beispielsweise im Jahr 2000 etwa 15 €/t Rüben bei 16 % Zuckergehalt. Die weltweite Ethanolproduktion bezifferte Dr. Kohnke auf etwa 31,4 Mio. m3 pro Jahr. Davon habe Brasilien beispielsweise 12 Mio. m3 und die USA 7,6 Mio. m3 erzeugt. "Brasilien könnte auch ein Lieferant für die EU werden, wenn wir keinen wirksamen Außenschutz erzielen." Trotz vieler Vorteile für das Bioethanol sei die Position der Mineralöl- und Automobilindustrie eindeutig: Beide gingen davon aus, dass Benzin und Diesel auch in Zukunft Marktführer bleiben werden. "Nicht verkennen darf man jedoch den Imagegewinn für die Mineralölunternehmen. Meiner Meinung nach können sie sich dem Druck aus Politik und Gesellschaft zum Einsatz von Biokraftstoffen nicht entziehen", so Dr. Kohnke. Wichtig sei es jetzt, dass sich der Markt für Bioethanol entwickele und die Mineralölsteueraussetzung über 2008 hinausgehe, denn gewisse Anlaufzeiten seien nötig. Außerdem müssten dringend Importbeschränkungen installiert werden und Umwelt- und Qualitätsstandards definiert werden. "Zu beachten ist jedoch, dass der Mineralölmarkt ein Markt mit extrem geringen Margen ist. Die Landwirtschaft muss dabei aufpassen, dass sie nicht nur reiner Rohstofflieferant wird und der Gewinn woanders gemacht wird. Nicht vergessen darf man auch, dass der Verkehr immer weiter wächst und wir dringend einen klimaneutralen Kraftstoff brauchen", fasste Dr. Kohnke zusammen.

 April 2003

 Bioethanol