Fakten zur BSE-Krise
Herausgeber: Deutscher Verband Tiernahrung e.V. (DVT)

In den letzten Wochen ist wiederholt deutlich geworden, dass wesentliche Fakten zum Futtermittelbereich im Zusammenhang mit der BSE-Krise entweder nicht bekannt oder in Vergessenheit geraten sind. Daher haben wir die wesentlichen Rahmenbedingungen und Tatsachen zusammen gestellt:
  • In Deutschland sind die nach Landesrecht jeweils zuständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts verpflichtet, die Beseitigung der in ihrem Gebiet anfallenden Tierkörper, Tierkörperteile und Erzeugnisse vorzunehmen und daraus Tiermehle herzustellen. Diese Aufgabe kann an Dritte übertragen werden, die Verantwortung liegt aber bei den staatlichen Körperschaften.

  • Die Mischfutterbranche war in der Vergangenheit stets ein erwünschter Abnehmer von Tiermehlen. Politik, Wissenschaft und vor allem der bäuerliche Berufsstand haben diesen Verwertungsweg begrüßt und sogar gefordert. Kreislaufwirtschaft, Verbilligung der Fütterung und damit Verbesserung der Ökonomik in der tierischen Produktion waren wichtige Motive.

  • "Deutsches Tiermehl ist sicher" - so lautete die Aussage der Wissenschaft (u. a. BgVV-Stellungnahme vom 28.11.2000) und der Politik. Diese Feststellung stützte sich auf das seit Jahrzehnten in Deutschland angewandte Drucksterilisationsverfahren mit Erhitzung auf mindestens 133 Grad Celsius, bei einer Mindestverweildauer von 20 Minuten und einem Druck von mindestens 3 bar. Die Überwachung dieser Bedingungen erfolgt durch die Veterinärbehörden der Länder. Agrarkommissar Fischler hat jüngst in einem Interview bestätigt, dass bei Einhaltung dieser Standards "keine problematischen Prionen" im Tiermehl enthalten sind.

  • Die Notwendigkeit zur strikten Einhaltung aller Bedingungen des Drucksterilisationsverfahrens hat den Deutschen Verband Tiernahrung (DVT) bereits im Jahre 1997 veranlasst, eine "Garantieerklärung" zur zusätzlichen Qualitätsabsicherung von Tiermehl zu entwickeln. Die Mitgliedsfirmen haben sich folgende Zusatzklausel von den Tierkörperbeseitigungsanstalten unterschreiben lassen:

    "Wir garantieren hiermit, dass das von uns gelieferte Tiermehl:

ausschließlich aus Rohmaterial deutscher Herkunft gewonnen wurde,

nicht aus Rohmaterial von Heimtieren stammt,
unter Bedingungen der Drucksterilisation (d.h. mindestens 133 Grad Celsius, mindestens 20 Minuten, mindestens 3 bar Druck) produziert worden ist und diese Vorschrift fortlaufend mit geeichten Methoden nachweisbar überprüft wird".
 
  • Im Jahre 1994 wurde der Einsatz von Tiermehl im Rindermischfutter europaweit verboten. In Deutschland hat sich durch dieses Verbot an der Fütterungspraxis nichts geändert. Auch vorher war es aus ernährungsphysiologischen und preislichen Gründen nicht üblich, diese Komponente im Mischfutter für Rinder, was von den Tierhaltern zugekauft worden ist, einzusetzen.

  • Das Einsatzverbot von Tiermehl im Rindermischfutter ist von den Mischfutterherstellern in Deutschland strikt eingehalten und amtlich überwacht worden. Die Hauptkomponenten für Rindermischfutter, wie z. B. Rapsschrot, Maiskleberfutter, Palmkernexpeller, waren stets deutlich billiger als Tiermehl, so dass überhaupt kein finanzieller Anreiz für eine willentliche Einmischung von Tiermehl bestand. Dies wird auch dadurch bestätigt, das durch dieses Verbot kein Rückgang der Verwendungsmenge von Tiermehl in Deutschland erfolgt ist.

  • Das Inverkehrbringen und die Verfütterung von Futtermitteln unterliegt in Deutschland strengen futtermittelrechtlichen Vorschriften des Futtermittelgesetzes. Die Einhaltung des Futtermittelrechtes wird durch die Bundesländer im Rahmen der amtlichen Futtermittelüberwachung kontrolliert. Die letzte Jahresstatistik über die amtliche Futtermittelüberwachung in Deutschland dokumentiert, dass in insgesamt 8.878 Betrieben (Mischfutterhersteller, Vertriebsunternehmer, Tierhalter) 13.467 Futtermittelproben gezogen wurden. An diesen Proben wurden ca. 100.000 Einzelbestimmungen durchgeführt. Hierunter fielen auch mikroskopische Untersuchungen, die der Überprüfung des Verwendungsverbotes von Tiermehl in Wiederkäuerfutter dienten.

  • Der DVT hat wiederholt darauf hingewiesen, dass technisch bedingt in Produktionsanlagen, die neben Rindermischfutter auch Schweine- und Geflügelmischfutter herstellten,  Spurenübertragungen von Tiermehl ins Rindermischfutter nicht immer ausgeschlossen werden konnten. Dies deckt sich mit den Feststellungen der Überwachungsbehörden. Die Kontrolle erfolgt mittel der Mikroskopie. Attestiert wurden die Ergebnisse u.a. mit der Formulierung: "Soweit mikroskopisch erfassbar, wurden im vorliegenden Muster tierische Bestandteile (Muskelgewebe, Knochenfragmente) in Spuren < 0,5 % festgestellt". Bei diesem Wert handelt es sich um die Bestimmbarkeitsgrenze der Mikroskopie. Fälschlicherweise wird vielfach unterstellt, dass tatsächlich ein Anteil von 0,5 % ermittelt worden ist. Die Futtermittelmikroskopie ist - im Gegensatz zur chemischen Analyse - ein mehr qualitatives Verfahren. Das bedeutet, dass bei der Bewertung der Ergebnisse unbedingt die Bestimmbarkeits- und Erfassungsgrenzen definiert und berücksichtigt werden müssen. Ergebnisse im Bereich der Erfassungsgrenze können im Rahmen der amtlichen Futtermittelüberwachung nicht zu Beanstandungen führen. Die Anwendung einer "strikten Null-Toleranz" für verbotene tierische Bestandteile ist rechtswidrig und undurchführbar.

  • Nach dem Verfütterungsverbot vom 01.12.2000 haben die Mischfutterhersteller alle Maßnahmen ergriffen, um auch kleinste Spuren der verbotenen Futtermittel in allen Mischfuttersorten zu verhindern. Ein Problem liegt in der mangelnden "Sauberkeit der Rohstoffe", auch aus der heimischen Produktion. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob Spuren von Tiermehl festgestellt werden oder ob es sich um Spuren "tierischer Bestandteile", wie z. B. von Schnecken, Mäusen usw., handelt. Daher ist es dringend erforderlich, dass im Beanstandungsfall eine Identifizierung der ermittelten Bestandteile mittels der PCR-Methode (Polymerase Kettenreaktion) erfolgt. Ferner müssen Probenahme und Untersuchungen strikt nach gesetzlichen Vorgaben erfolgen und jedes Ergebnis durch Nachuntersuchung bestätigt werden.

  • Eine weitere Konsequenz aus der jetzigen und künftigen Situation ist die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der staatlichen Futtermittelkontrolle. Da in den Mischfutterwerken kein Tiermehl mehr vorhanden bzw. eingesetzt wird (die dort derzeit lagernden Mengen sind gesperrt), kann der Eintrag nur durch zugekaufte Rohstoffe erfolgen. Wenn Tiermehl als Gesundheitsgefahr angesehen wird, ist es unverantwortlich, wenn der Staat nicht alles unternimmt, um diese Gefahrenquelle in Rohstoffen, die z. Z. auch direkt an Landwirte geliefert werden, auszuschließen.

(DVT 01.03.2001