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Überschussbeteiligungen der Versicherer immer fraglicher
Zuletzt aktualisiert: 25 September 2002 15:00 CEST Drucken Sie diesen Artikel
München (Reuters) - Angesichts ungebremst fallender Aktienmärkte geraten die Überschussbeteiligungen für die Kundschaft der deutschen Lebensversicherer immer stärker in Gefahr. Der Branchenführer Allianz Leben bestätigte am Mittwoch, dass die Wahrscheinlichkeit einer Absenkung der Quote gestiegen ist.

Seit Monaten stehen nicht nur die künftigen Bonuszahlungen auf Versicherungs-Policen, sondern sogar der Garantiezins der Lebensversicherer in Frage. Schuld ist die Talfahrt an den Börsen, an denen die Assekuranz einen erheblichen Teil ihres Kapitals anlegt.

"Man muss damit rechnen, dass die Überschüsse sinken werden", sagte auch Peter Abrahams von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin). Die Finanzaufsicht hatte zuvor mitgeteilt, die deutschen Lebensversicherer und vor allem deren Finanzlagen genauestens unter die Lupe genommen zu haben.

Im Plan liegt derweil die Gründung einer Auffanggesellschaft für Not leidende Lebensversicherer, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) auf Anfrage bestätigte. Anfang Oktober soll diese Pool-Lösung, die Branchenkreisen zufolge den Titel "Protector" trägt, an den Start gehen.

ALLIANZ MUSS SICH "ERNSTHAFTE GEDANKEN" MACHEN

Auf die Frage, ob die Allianz ihre Überschussbeteiligung von derzeit 6,8 Prozent absenken muss, sagte ein Sprecher: "Es ist wahrscheinlicher geworden, weil sich die Kapitalmärkte weiter schwach entwickelt haben." Das Unternehmen hatte vor kurzem bereits mitgeteilt, über einen solchen Schritt nachzudenken und gegen Jahresende entscheiden zu müssen.

Angesichts der weiter abgesackten Börsenkurse an den Finanzmärkten müsse sich die Allianz Leben nun "ernsthafte Gedanken" machen, fügte der Sprecher hinzu. Eine Entscheidung werde aber wie geplant erst Ende des Jahres fallen. Die Überschussbeteiligung setzt sich aus dem maximalen Garantiezins von 3,25 Prozent plus einem individuellen Bonus zusammen.

Die Versicherungskonzerne investieren einen Großteil ihrer Einnahmen an den Finanzmärkten, wobei nur maximal 35 Prozent des Kapitals in Aktien oder ähnliche Risiko-Anlagen fließen darf. Im Schnitt legen die Versicherer hier rund ein Fünftel ihres Geldes an. Die Kursverluste an den Börsen - allein der Deutsche Aktienindex (Dax) büßte seit Jahresanfang fast die Hälfte ein - haben die Finanzpolster der Firmen nun ordentlichen dahin schmelzen lassen. Hinzu drücken die Versicherer enorme Schadensfälle wie etwa nach den Anschlägen vom 11. September vergangenen Jahres.

GDV - 2004 ROUTINEMÄSSIGE ÜBERPRÜFUNG DES GARANTIEZINSES

Für die garantierte Zahlung der Mindestverzinsung auch bei in Schwierigkeiten geratenen Versicherern soll Anfang Oktober unter Koordination des Dachverbands GDV eine Auffanggesellschaft aus der Taufe gehoben werden. "Die Verhandlungen sind weitestgehend abgeschlossen, es wird noch an den Details gefeilt", sagte GDV-Sprecher Stephan Gelhausen. Branchenkenner erwarten jedoch, dass der Zins, den die Versicherer maximal garantieren dürfen, in Zukunft unter die Marke von 3,25 Prozent sinken könnte. 2004 soll dieser Satz, der auch schon bei vier Prozent lag, routinemäßig überprüft werden.

Mit Blick auf die jüngste Bekräftigung der Allianz, die Überschussbeteiligung möglicherweise zu senken, warnte Gelhausen davor, von diesem Fall auf den gesamte Versicherungsmarkt zu schließen. "Nur, weil der Marktführer Probleme hat, heißt das noch lange nicht, dass auch automatisch die Kleinen Probleme haben." Auf der anderen Seite könne man aber auch nicht von den Versicherern erwarten, dass sie die Überschussbeteiligungen immer in voller Höhe erwirtschaften.

Als dramatisch wollte Gelhausen die Lage der Versicherer nicht bezeichnen: "Von einer Pleitewelle würde ich nicht sprechen." Der Meinung schloss sich BaFin-Sprecher Abrahams an: "Die wirtschaftliche Situation der meisten Lebensversicherungen ist nicht Besorgnis erregend", sagte er. Seit Bestehen der Bundesrepublik sei noch kein Lebensversicherer Pleite gegangen und er glaube nicht unbedingt, dass die neue Auffanggesellschaft überhaupt einzugreifen haben wird.

Ungeachtet dessen überprüft die BaFin die Branche. "Wir beobachten die Lebensversicherer sehr genau und schauen auf deren finanzielle Situation", sagte Abrahams, ohne jedoch Details nennen zu wollen. Branchenkenner gehen derzeit davon aus, dass rund ein halbes Dutzend der insgesamt mehr als 120 Anbieter von Lebensversicherungen in Deutschland in einer ernsthafte finanzielle Schieflage sein könnten.


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