München (Reuters) - Angesichts
ungebremst fallender Aktienmärkte geraten die Überschussbeteiligungen
für die Kundschaft der deutschen Lebensversicherer immer stärker
in Gefahr. Der Branchenführer Allianz Leben bestätigte am
Mittwoch, dass die Wahrscheinlichkeit einer Absenkung der Quote
gestiegen ist.
Seit Monaten stehen nicht nur die künftigen
Bonuszahlungen auf Versicherungs-Policen, sondern sogar der
Garantiezins der Lebensversicherer in Frage. Schuld ist die
Talfahrt an den Börsen, an denen die Assekuranz einen
erheblichen Teil ihres Kapitals anlegt.
"Man muss damit rechnen, dass die
Überschüsse sinken werden", sagte auch Peter Abrahams von
der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin). Die
Finanzaufsicht hatte zuvor mitgeteilt, die deutschen
Lebensversicherer und vor allem deren Finanzlagen genauestens
unter die Lupe genommen zu haben.
Im Plan liegt derweil die Gründung
einer Auffanggesellschaft für Not leidende Lebensversicherer,
wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft
(GDV) auf Anfrage bestätigte. Anfang Oktober soll diese Pool-Lösung,
die Branchenkreisen zufolge den Titel "Protector" trägt,
an den Start gehen.
ALLIANZ MUSS SICH "ERNSTHAFTE
GEDANKEN" MACHEN
Auf die Frage, ob die Allianz ihre Überschussbeteiligung
von derzeit 6,8 Prozent absenken muss, sagte ein Sprecher:
"Es ist wahrscheinlicher geworden, weil sich die Kapitalmärkte
weiter schwach entwickelt haben." Das Unternehmen hatte vor
kurzem bereits mitgeteilt, über einen solchen Schritt
nachzudenken und gegen Jahresende entscheiden zu müssen.
Angesichts der weiter abgesackten Börsenkurse
an den Finanzmärkten müsse sich die Allianz Leben nun
"ernsthafte Gedanken" machen, fügte der Sprecher
hinzu. Eine Entscheidung werde aber wie geplant erst Ende des
Jahres fallen. Die Überschussbeteiligung setzt sich aus dem
maximalen Garantiezins von 3,25 Prozent plus einem individuellen
Bonus zusammen.
Die Versicherungskonzerne investieren
einen Großteil ihrer Einnahmen an den Finanzmärkten, wobei nur
maximal 35 Prozent des Kapitals in Aktien oder ähnliche
Risiko-Anlagen fließen darf. Im Schnitt legen die Versicherer
hier rund ein Fünftel ihres Geldes an. Die Kursverluste an den
Börsen - allein der Deutsche Aktienindex (Dax) büßte seit
Jahresanfang fast die Hälfte ein - haben die Finanzpolster der
Firmen nun ordentlichen dahin schmelzen lassen. Hinzu drücken
die Versicherer enorme Schadensfälle wie etwa nach den Anschlägen
vom 11. September vergangenen Jahres.
GDV - 2004 ROUTINEMÄSSIGE ÜBERPRÜFUNG
DES GARANTIEZINSES
Für die garantierte Zahlung der
Mindestverzinsung auch bei in Schwierigkeiten geratenen
Versicherern soll Anfang Oktober unter Koordination des
Dachverbands GDV eine Auffanggesellschaft aus der Taufe gehoben
werden. "Die Verhandlungen sind weitestgehend
abgeschlossen, es wird noch an den Details gefeilt", sagte
GDV-Sprecher Stephan Gelhausen. Branchenkenner erwarten jedoch,
dass der Zins, den die Versicherer maximal garantieren dürfen,
in Zukunft unter die Marke von 3,25 Prozent sinken könnte. 2004
soll dieser Satz, der auch schon bei vier Prozent lag, routinemäßig
überprüft werden.
Mit Blick auf die jüngste Bekräftigung
der Allianz, die Überschussbeteiligung möglicherweise zu
senken, warnte Gelhausen davor, von diesem Fall auf den gesamte
Versicherungsmarkt zu schließen. "Nur, weil der Marktführer
Probleme hat, heißt das noch lange nicht, dass auch automatisch
die Kleinen Probleme haben." Auf der anderen Seite könne
man aber auch nicht von den Versicherern erwarten, dass sie die
Überschussbeteiligungen immer in voller Höhe erwirtschaften.
Als dramatisch wollte Gelhausen die
Lage der Versicherer nicht bezeichnen: "Von einer
Pleitewelle würde ich nicht sprechen." Der Meinung schloss
sich BaFin-Sprecher Abrahams an: "Die wirtschaftliche
Situation der meisten Lebensversicherungen ist nicht Besorgnis
erregend", sagte er. Seit Bestehen der Bundesrepublik sei
noch kein Lebensversicherer Pleite gegangen und er glaube nicht
unbedingt, dass die neue Auffanggesellschaft überhaupt
einzugreifen haben wird.
Ungeachtet dessen überprüft die
BaFin die Branche. "Wir beobachten die Lebensversicherer
sehr genau und schauen auf deren finanzielle Situation",
sagte Abrahams, ohne jedoch Details nennen zu wollen.
Branchenkenner gehen derzeit davon aus, dass rund ein halbes
Dutzend der insgesamt mehr als 120 Anbieter von
Lebensversicherungen in Deutschland in einer ernsthafte
finanzielle Schieflage sein könnten.
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