ftd.de, Do, 21.6.2001, 7:00
Offshore-Spezial: Milliarden-Poker auf dem Meer
Von Martin Murphy, Berlin

Windparks auf dem offenen Meer sollen künftig rund 60 Prozent der Kernenergie ersetzen. So will es zumindest die Bundesregierung. Ein FTD-Spezial zu Offshore-Windparks.
Das ambitionierte Ziel hat das Bundesumweltministeriums (BMU) in einem Strategiepapier festgelegt. Doch bis die erste Windmühle im Sand vor der deutschen Küste einbetoniert wird, müssen noch viele Fragen geklärt werden: Naturschützer verweisen auf die möglichen Gefahren für die Tierwelt, die von den bis zu 130 Meter hohen Anlagen ausgehen könnte. Offen sind noch viele technische Fragen; wie können die Windräder den verschärften Witterungsbedingungen von Wind und Meer trotzten. Ungeklärt ist auch die Einspeisung des Windstroms. Um frischen Wind in die Diskussion zu bringen, hat das BMU ein Strategiepapier vorgelegt.

In dem Papier werden neben einem Stufenplan über die schrittweise Einführung der so genannten Offshore-Windparks Versuchsflächen für Pilotanlagen vorgeschlagen (Karten und Strategiepapier siehe Linkliste). Bis 2030 sollen nach Plänen des BMU rund 15 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland durch Windparks auf See gedeckt werden. In der letzten Ausbaustufe sollen 20.000 bis 25.000 Megawatt (MW) gewonnen werden. Ein ambitioniertes Vorhaben: Weltweit dreht sich bisher kein einziges Rotorblatt im Seewind. Projekte in Skandinavien und Großbritannien, die von ihren Betreibern gerne als Offshore-Anlagen gepriesen werden, gelten bei Experten allenfalls als Onshore-Mühlen mit nassen Füßen.

Behörde verärgert

Die Pläne des BMU sind bei den Beteiligten auf reges Interesse getroffen - aber nicht nur auf positives. Einer, der sich sehr über die Pläne geärgert hat, ist Christian Dahlke. Der Jurist ist beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) für Genehmigung für Bauvorhaben in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) zuständig. Dieses Gebiet liegt zwar außerhalb der 12-Meilen-Zone, die wirtschaftlichen Rechte liegen aber bei Deutschland. Jurist Dahlke sei nicht vor Veröffentlichung der Karten vom BMU informiert worden und daher verärgert gewesen, sagt ein Insider. Und auch der Leiter der Hamburger Behörde reagierte auf einer vom Ministerium organisierten Offshore-Konferenz verschnupft: "Die vom BMU vorgeschlagenen Karten sind nicht bindend." Prinzipiell begrüßte er aber das Strategiepapier. Letztendlich hebt oder senkt das BSH den Daumen über die milliardenschweren Genehmigungsanträge. Der Insider vermutet, dass das BMU mit dem Strategiepapier Druck ausüben wollte.

Bisher sind 15 Anträge bei der Behörde eingegangen. "Keiner ist entscheidungsreif", sagte Ehlers. Die Flächenvorschläge des Ministeriums werden sicher nicht in der Form realisiert werden. Ein vorgeschlagener Abschnitt in der Nordsee wird von einer Hauptschiffahrtsrouten gekreuzt - ein klares Ausschlusskriterium. Außerdem dürfe nicht die Umwelt durch die Windparks belastet werden. Fischerei und Tourismus seien hingegen keine Gründe, warum ein Offshore-Park nicht genehmigt werde, sagte Ehlers.