Deutschlands Alterssicherungssystem
steht vor einem gewaltigen Umbau: Kapitalgedeckte Vorsorge wird die
umlagefinanzierte Rente in großem Umfang ersetzen und ergänzen müssen.
Mittelfristig sollten aus kapitalgedeckten Vorsorgeplänen etwa 50 Prozent
der Altersversorgung finanziert werden.
Welche enormen Folgen dies für
die Kapitalmärkte hat, zeigt eine einfache Rechnung: Die betriebliche
Altersversorgung deckt heute erst rund fünf Prozent der Alterseinkommen.
Um diesen Anteil auf international noch unterdurchschnittliche 15 Prozent
zu steigern, müssten weitere 600 Mrd. Euro angesammelt werden. Zum
Vergleich: Die Marktkapitalisierung aller Dax-30-Unternehmen beträgt
gegenwärtig rund 510 Mrd. Euro.
Viele
Untersuchungen deuten auf einen Zusammenhang zwischen der Größe der
kapitalgedeckten Rentensysteme eines Landes und der Kapitalisierung des
lokalen Aktienmarktes. Dies verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass die
Kapitaldeckung von Pensionsansprüchen der bedeutendste Wachstumsmotor für
institutionelle Vermögen ist. Im Gegenzug sind es vor allem große
institutionelle Investoren, die durch ihre Tätigkeit zu einer höheren
Marktkapitalisierung und Liquidität beitragen. Zudem können
mächtige
Pensionsfonds auf eine effizientere Weise Shareholder-Interessen
wahrnehmen, was langfristig zu einer höheren
Eigenkapitalrendite
führen sollte.
Stabilisator der Märkte
Niederlanden, der Schweiz oder
Großbritannien. Auch in diesen Ländern wird die Sozialversicherung,
obwohl sie oft nur den Charakter einer Grundversorgung hat, über ein
Umlageverfahren finanziert. Aber die Pensionsverbindlichkeiten der eigenen
Angestellten beziehungsweise Beamten und deren Kosten sind durch
kapitalgedeckte Versorgungswerke nicht auf Folgegenerationen von
Steuerzahlern verlagert. Die großen betrieblichen Versorgungswerke
leisten einen immensen Beitrag zur Stabilität der Kapitalmärkte.
Man kann die Kausalität zwischen
Marktkapitalisierung und Pensionsvermögen aber auch umkehren: Je
unterentwickelter die heimischen Kapitalmärkte sind, desto geringer ist
der Anreiz, eine kapitalgedeckte Altersversorgung aufzubauen. Diesen
Teufelskreis gilt es zu durchbrechen.
Selbst in Ländern mit relativ
entwickelten Kapitalmärkten ist das Angebot an Kapitalanlagen, die sich
zur Deckung langfristiger Pensionsverbindlichkeiten eignen, eher gering.
So ist der Markt für langfristige inflationsgesicherte Bonds in den USA
und Großbritannien illiquide. Auch die normalen 30-jährigen
Staatsanleihen sind teilweise nicht im benötigten Umfang vorhanden.
Manche Staaten haben sogar die Emission langfristiger Obligationen ganz
eingestellt.
Aktien stellen auch nach der
Baisse der letzten drei Jahre die größte Anlageklasse in Portfolios
amerikanischer und britischer Pensionsfonds dar. Im langfristigen
Vergleich bieten sie einen besseren Hedge gegen Inflation als Anleihen.
Trotzdem haben die gravierenden Verluste an den Aktienmärkten gezeigt,
dass Pensionsfonds, die über eine hohe Aktienquote verfügen, kurzfristig
ein hohes Risiko tragen. Dieses Risiko hat bei einigen Pensionsfonds zu
einer erheblichen Unterdeckung ihrer Verbindlichkeiten geführt und
dadurch Kapitalbedarf beim Trägerunternehmen ausgelöst.
Eine echte
Herausforderung
Für viele institutionelle
Investoren ist das Erreichen ihrer Zielrendite notwendig, um die
eingegangenen Pensionsversprechen zu erfüllen. Dies ist aber in dem
jetzigen Marktumfeld eine echte Herausforderung. Das Zinsniveau ist
historisch niedrig und die gesunkene Risikokapitalausstattung der
institutionellen Investoren erhöht ihre Risikoaversion. Das begrenzt die
Renditeerwartungen. Gerade vor diesem Hintergrund sind eine effiziente
Steuerung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten (Asset-Liability-Management)
und ein gutes Risikomanagement wichtiger denn je.
Träger externer betrieblicher
Versorgungswerke sowie Versicherungsunternehmen, die über Rückdeckungs-
und Direktversicherungen ebenfalls betriebliche Pensionspläne verwalten
und finanzieren, sind nach den dramatischen Börsenentwicklungen der
letzten Jahre mit Kapitalausstattungsproblemen ungekannten Ausmaßes
konfrontiert worden. Das Platzen der Aktienblase wäre für die
Pensionsfonds weltweit leichter zu verdauen gewesen, wenn ihre
Verbindlichkeiten ebenfalls gesunken wären. Das Gegenteil war aber der
Fall.
Das Zinsniveau ist über den
gleichen Zeitraum um mehr als 200 Basispunkte gefallen und hat somit zu
einem starken Anstieg der betrieblichen Pensionsverbindlichkeiten geführt,
da Verbindlichkeiten nach internationalen Bilanzstandards mit einem sich
am Marktzins orientierenden Rechnungszins abdiskontiert werden.
Schrumpfende betriebliche Altersvorsorgevermögen einerseits und steigende
Verbindlichkeiten andererseits haben den Deckungsgrad zahlreicher
Pensionsfonds massiv reduziert.
Asset-Liability-Management
rückt in den Mittelpunkt
Überdeckungen bei den
Versorgungswerken sind deutlich abgeschmolzen und haben sich nicht selten
in Deckungslücken verwandelt. Die asymmetrische Entwicklung von Aktiv-
und Passivseite ihrer Bilanz hat den institutionellen Investoren
verdeutlicht, dass sie sich in der Vergangenheit nicht die Frage gestellt
haben, inwieweit ihre Kapitalanlagen ungünstige Entwicklungen der
Verbindlichkeiten abzusichern vermögen. Als Folge ist nun das
Asset-Liability-Management in den Mittelpunkt gerückt, um über
effiziente Portfolios die bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen und die
Aufwendungen der Trägerunternehmen zu stabilisieren.
Benefit)
und solche mit Beitragszusage (Defined Contribution). Darüber hinaus sind
oft hybride Formen anzutreffen, wie etwa Beitragszusagen mit
Mindestgarantie oder beitragsorientierte Leistungszusagen. Die zwei
Hauptfaktoren, die den Typus eines Pensionsplans definieren, sind die
Gestaltung der Beitrags- und Leistungszahlungen des Arbeitgebers oder des
Arbeitnehmers. Müssen künftige Leistungen unabhängig von den
vorhandenen Assets vom Arbeitgeber erbracht werden, liegt eine
Leistungszusage vor.
Bei dieser Art der
Pensionsplangestaltung hat der Arbeitnehmer bei Renteneintritt Anspruch
auf eine meist nach einer Rentenformel berechnete Leistung. Das
Kapitalanlagerisiko, Langlebigkeitsrisiko und sonstige operativen Risiken
trägt der Arbeitgeber. Falls er sich nur zur Zahlung der periodischen
Beiträge verpflichtet hat, sind die künftigen Rentenleistungen
unbestimmt und von der Höhe des angesparten Vermögens zum Zeitpunkt des
Renteneintritts abhängig. Man spricht von einer reinen Beitragszusage,
wie sie in den USA oft anzutreffen ist. Das Kapitalanlage- und das
Langlebigkeitsrisiko trägt in diesem Fall der Arbeitnehmer.
Die Leistungszusage ist
historisch gesehen die ältere Variante. Die gestiegene Lebenserwartung
beeinträchtigt damit auch die klassischen betrieblichen Pensionspläne
mit Leistungszusage, die in Deutschland hauptsächlich durch Pensionsrückstellungen
über die Bilanzen finanziert werden. Die Kombination aus
Kapitalmarktverlusten und gestiegenen biometrischen Risiken haben bei
einigen US-Pensionsfonds sogar bedeutende Kapitalmaßnahmen ausgelöst.
General Motors musste beispielsweise Fremdkapital in Höhe von 17,4 Mrd. $
aufnehmen, um die Unterdeckung des betriebseigenen Pensionsfonds
auszugleichen.
Vor diesem Hintergrund ist es
nicht verwunderlich, dass viele Unternehmen ihre Defined-Benefit-Pläne für
Neueintritte schließen und zu Beitragszusagen übergehen. Erst kürzlich
hat Siemens einen Wechsel zu einem beitragsorientierten Plan mit einer
Mindestgarantie von 2,75 Prozent angekündigt - dem Garantiezins der
Lebensversicherer ab 1. Januar 2004.
Reine Beitragszusagen, wie in den
US-amerikanischen "401k-Plänen", sind in Deutschland vom
Gesetzgeber zurzeit nicht vorgesehen. Auf Grund einer Nominalgarantie oder
einer zugesagten Mindestverzinsung bleibt für den Plansponsor stets ein
Restrisiko. Die Anlagestrategie sollte daher zwei Ziele eines
Pensionsplans widerspiegeln: Erstens sollte das Portfolio so strukturiert
sein, dass es möglichst gut Schwankungen der Passivseite auf Grund von
Zinsänderungen absichert (Absicherungsmotiv). Zweitens sollte für eine
vorgegebene Risikobereitschaft eine renditemaximierende Portfoliostruktur
erreicht werden (Ertragsmotiv).
Ungewollte Risiken, die etwa auf
Grund einer Durationslücke zwischen den Aktiva (durchschnittlich sechs
Jahre) und den Verbindlichkeiten (durchschnittlich 15 bis 20 Jahre) eines
Pensionsplans entstehen, gilt es kostengünstig abzusichern. Unternehmen
sind selten in Schwierigkeiten gekommen, wenn Risiken bewusst und
kontrolliert gezeichnet worden sind - wohl aber durch unbekannte oder
nicht quantifizierte Risiken. Erst danach ist das Unternehmen überhaupt
in der Lage, mit dem noch vorhandenen Risikobudget zusätzliche aktive
Risiken einzugehen.
Wichtige Punkte der
Risikoanalyse
Im Mittelpunkt einer jeden
Risikoanalyse steht die Separierung und Quantifizierung der folgenden
Risiken: die Sensitivität gegenüber Zinsänderungen (Zinsrisiko), gegenüber
Aktienmarktschwankungen (Marktrisiko) sowie das aktive Risiko, das mit den
übrigen Risikoarten unkorreliert ist und so zusätzliche Renditequellen
erschließt (Alpha).
Die strukturellen Veränderungen
an den Kapitalmärkten zwingen die institutionellen Investoren,
vorsichtiger denn je mit ihren nur noch in geringem Umfang vorhandenen
Risikobudgets umzugehen. Um zu verstehen, welche Faktoren für die
gesunkenen Renditeerwartungen verantwortlich sind, gilt es, die
vorhandenen Renditequellen innerhalb eines Portfolios zu identifizieren.
Drei Komponenten der Gesamtrendite sind zu unterscheiden: der risikolose
Zins, Risikoprämien und die aktiven Renditen.
Alternativen zur
Aktie
Das gesunkene Zinsniveau wirkt
sich bereits auf die Renditen aller traditionellen Anlageklassen negativ
aus. Viele Marktteilnehmer haben zudem ihre Erwartungen bezüglich der
Risikoprämie reduziert, also des bei Aktieninvestments zu erwartenden
Mehrertrags im Vergleich zu risikolosen Anlagen wie etwa langfristigen
Staatspapieren.
Für institutionelle Investoren
bedeutet dies, dass sie bei einem Marktrisiko, das gegenüber der
Vergangenheit unverändert ist, künftig nur eine geringere Rendite
erwarten können. Um eine bestimmte Zielrendite zu erreichen, müssen sie
umgekehrt zusätzliches Marktrisiko in ihr Portfolio aufnehmen und dies
auch mit Risikokapital unterlegen.
Es stellt sich die Frage, wie die
benötigte Rendite erwirtschaftet werden kann, ohne den Aufwand - meist
direkte Lohnnebenkosten - massiv zu erhöhen. Die einfache Antwort,
"dann lass uns eben mehr in Aktien investieren", funktionierte
noch nie, dies wurde aber in den späten 90er Jahren durch die Illusion
des Bullenmarkts überdeckt.
Durch einfache Ausweitung des
Aktienanteils erhöht sich nämlich nicht nur die Renditeerwartung,
sondern auch der dafür zu zahlende Preis, nämlich das Risiko.
Erschwerend kommt hinzu, dass nach den sehr turbulenten letzten Jahren am
Kapitalmarkt der Preis pro Einheit Mehrertrag deutlich gestiegen ist. Bei
fixierten Renditeerwartungen oder gar bei begebenen Garantien wie etwa
Kapitalerhalt wird heute deutlich mehr Risikokapital benötigt, um mögliche
Ausfälle verkraften zu können.
Diversifikation auf
Portfolioebene
Das vorhandene Risikobudget ist
daher möglichst effizient und sorgsam auf die Assetklassen zu verteilen.
Das kann in diesem Zusammenhang nur über Diversifikation auf
Portfolioebene erreicht werden. So sind etwa Overlay-Strategien, Hedge
Funds, Währungen als separate Assetklasse und spezielle Formen des
Immobilieninvestments oft mit den traditionellen Anlageklassen nur gering
korreliert. Sie können daher den benötigten Beitrag zur
Risikodiversifikation leisten.
Alternative Anlagestrategien
greifen häufig auf moderne Finanzinstrumente wie Derivate zurück.
Deshalb bedarf es moderner Investmentprozesse inklusive Risikomanagement,
relativ flexibler Anlagerichtlinien und geänderter Gesetze, die im Rahmen
internationaler Standards den deutschen Investoren keine
Wettbewerbsnachteile bescheren. Mit dem zurzeit diskutierten
Investmentmodernisierungsgesetz wird ein wesentlicher Schritt dahin getan.
Die Kapitalunterlegung von Pensionsverbindlichkeiten im privaten wie im öffentlichen
Sektor, aber auch die zu erwartenden steigenden Kapitalflüsse in moderne
individuelle Rentensparpläne werden den Finanzplatz Deutschland nur dann
beleben können, wenn die entstehenden Vermögenswerte nicht hauptsächlich
ins Ausland abfließen.
Zur kapitalgedeckten
Altersversorgung gibt es in Deutschland keine Alternative. Soll sie
erfolgreich sein, sind aber weitere Schritte zur Flexibilisierung der
Kapitalanlagen dringend notwendig. Institutionellen Investoren muss es über
neue Anlagerichtlinien und Rahmenbedingungen ermöglicht werden, in neue
Anlagestrategien zu investieren. Daraus sollten sich dann auch starke
Impulse für die Kapitalmärkte und den Finanzstandort Deutschland
ergeben.
Dirk Popielas ist Leiter der
Pension and Insurance Services Group von Goldman Sachs Asset Management in
Frankfurt am Main. |